Bremsflüssigkeiten - Welche gibt es, wo liegen die Unterschiede?

  • Tach Leutz !!


    Da wir in letzter Zeit öfter das Thema Bremsflüssigkeit in diversen Bremsenthreads angeschnitten haben
    und ich außerdem vermehrt per PN nach Rat gefragt worden bin habe ich mir vorgenommen mal einen
    "Informationsthread" rund um dieses Thema zu starten, der zwar etwas "sportlich" gefärbt ist, aber auch
    für Otto Normalfahrer hilfreich sein soll.
    Beginnen will ich mit einer Einführung, die verständlich machen soll wozu BF überhaupt da ist und welche
    Anforderungen an sie gestellt werden, sowie mit einer Übersicht der mir bekannten käuflichen BFen (von
    nun an kürze ich das lange Wort mal ab).




    Nun, worum geht's?


    BF dient der Übertragung von Kräften (hydraulisch) vom Bremspedal über den Hauptbremszylinder auf die
    einzelnen Radbremsen. Das geht deutlich verlustärmer als mit Seilzügen oder Gestänge (was man heute
    eigentlich nur noch bei Fahrrädern und Anhängern macht).
    Das Problem ist, dass BF in der Lage sein muss Wasser aufzunehmen und zu binden. Denn Wasser"lachen"
    in der Bremse würden a) zu Korrosion führen und b) würde dieses Wasser schon bei 100° kochen. Das darf
    nicht sein. Eine siedendende BF führt ggf. zum Totalausfall weil Dampf kompressibel ist.
    Deshalb werden hygroskopische BFen verwendet, sie nehmen also Wasser auf. Außerdem bieten diese BFen
    einen ausreichend hohen Siedepunkt von um die 200° selbst noch wenn sie schon etwas Wasseranteil besitzen.


    Weil der Wasseranteil aber mit der Betriebsdauer steigt ist ein turnusgemäßer Wechsel (bei BMW heute alle
    zwei Jahre; früher war das sogar jährlich) unvermeidlich. Im professionellen Rennsport wird sogar vor jeder
    Veranstaltung gewechselt.



    Ich zitiere mal aus Wikipedia:


    Bremsflüssigkeit ist eine Hydraulikflüssigkeit, die in der hydraulischen Übertragungseinrichtung von Fahrzeugbremsen verwendet wird. Insbesondere versteht man hierunter die Flüssigkeiten auf Polyglykol-Basis. Die von manchen Fahrzeugherstellern (beispielsweise Citroën) in der Bremsanlage verwendeten Hydraulikflüssigkeiten auf Mineralölbasis werden üblicherweise nicht als Bremsflüssigkeit bezeichnet, schon allein um eine gefährliche Verwechslung zu vermeiden.


    Bremsflüssigkeiten bestehen in der Regel hauptsächlich aus Polyglykolverbindungen (vor allem den Monomethylethern und Mono-n-butylethern des Triethylenglykols und des Pentaethylenglykols, zudem geringen Anteilen Diethylenglykol) sowie weiteren Bestandteilen (beispielsweise Korrosionsschutzmitteln) in geringerer Konzentration. Seltener und in Spezialfällen (Oldtimer, Armee, Fahrräder usw.) kommen Silikonflüssigkeiten und Mineralöle zum Einsatz.


    Der (Trocken-) Siedepunkt beschreibt die Eigenschaft der versiegelten, neuen Bremsflüssigkeit.


    Der Nasssiedepunkt wird nach Zumischung von ca. 3,5 % Wasser gemessen und beschreibt die Eigenschaft der auf Polyglykolen basierenden Bremsflüssigkeiten am Ende des Lebenszyklus. Während der Benutzung wird der beschriebene Temperaturbereich vom Siedepunkt bis zum Nasssiedepunkt beschritten.


    Das United States Department of Transportation (DOT) beschreibt im Standard Nummer 116 Minimalanforderungen an Bremsflüssigkeiten in drei Klassen (DOT 3, DOT 4, DOT 5).[1] DOT 5 wird weiter unterschieden in DOT 5 Silikonbasis und DOT 5.1 Nicht-Silikonbasis (Glykolbasis).



    Nochmal, warum Trocken- und Nasssiedepunkt?


    Trocken bedeutet im Neuzustand ohne Wasseranteil. Nass bedeutet hier also mit einem definierten
    Wasseranteil von 3.5 %. Der Nasssiedepunkt ist also die deutlich problematischere, praxisrelevantere
    und damit wesentlich wichtigere Angabe für den Alltagsfahrer. Er steht für den "Worst Case" einer
    gut zwei Jahre alten BF.



    Hier mal eine Übersicht der wichtigsten Anforderungen der heute üblichen DOT4 und DOT5.1 sowie
    zum Vergleich der alten DOT3:


    Parameter ................................. DOT 3 ... DOT 4 ... DOT 5.1
    Trockensiedepunkt [°C] ...,,,.......,,... 205 ...... 230 ...... 260
    Nasssiedepunkt [°C] ....................... 140 ...... 155 ...... 180
    Viskosität bei 100 °C [mm²/s] ............ 1,5 ...... 1,5 ...... 1,5
    Kälteviskosität bei bei 40 °C [mm²/s] . 1500 ..... 1800 ...... 900


    Wichtig sind insbesondere Nassiedepunkt (der Trockensiedepunkt ist weniger ein Problem) und Kälteviskosität
    (bei +100° sind sie alle dünnflüssig genug) !!




    Hier nun die versprochene Übersicht diverser BFen:



    Marke..........DOT Rating......Trocken- bzw. Nasssiedepunt


    (alle BF mit besonders hohem Nasssiedepunkt sind fett hervorgehoben)


    Amsoil DOT 4 - DOT 4 - 580°F (304°C) / 410°F (210°C)


    AP Racing 551 - DOT3 - 527° F (275° C) / 302º F (145º C)


    AP Racing 600 - DOT3 - 590° F (310° C) / 410° F (210° C)


    AP PRF Racing - DOT4 - 608° F (320º C) / 311° F (155º C)


    Ate SL6 - DOT4 + ISO6 - 509° F (265° C) / 347° F (175° C)


    Ate Super Blue - DOT4 - 536º F (280º C) / 390º F (194º C)


    Ate Super 200 - DOT4 - 536º F (280º C) / 390º F (194º C)


    BMW OEM - DOT4 - 446° F (224° C) / 311° F (156° C)


    Bosch - DOT3 - 491º F (255º C) / 288º F (142º C)


    Bosch - DOT4 - 509º F (265º C) / 329º F (165º C)


    Bosch - DOT4+ - 536º F (280º C) / 356º F (180º C)


    Brembo LCF 600+ - DOT4 - 601º F (316º C) / 399º F (204º C)


    Brembo EVO 500+ - DOT4 - 520º F (271º C) / 336º F (169º C)


    Castrol GT LMA - DOT4 - 509º F (265º C) / 311º F (155º C)


    Castrol SRF - DOT4 - 590º F (310º C) / 518º F (270º C)


    EBC BF 307+ - DOT4 - 589° F (307° C) / 386° F (196° C)


    Endless RF-650 - DOT4 - 612° F (323° C) / 425° F (218° C)


    Endless S-Four High-Perf. - DOT4 - 567° F (297º C) / 366º F (187º C)


    Ferodo Racing DOT5.1 - DOT5.1 - 500° F (260° C) / XXXX (XXXX)


    Ferodo Racing Formula - DOT4 - 572° F (300° C) / XXXX (XXXX)


    Ferodo Racing Super Formula - DOT4 - 625° F (330° C) / XXXX (XXXX)


    GS610 - DOT4 - 610° F (321° C) / 421° F (216° C)


    Gunk HD - DOT4 - 510º F (266º C) / 311º F (155º C)


    Millers Racing 300 Plus - DOT4 - 590° F (310° C) / XXXX (XXXX)


    Motul DOT 5.1 - DOT5.1 - 509º F (265º C) / 365º F (185º C)


    Motul RBF 600 - DOT4 - 594º F (312º C) / 402º F (205º C)


    Motul RBF 660 - DOT4 - 617º F (325º C) / 400º F (204º C)


    Neo Super DOT16 - DOT4 - 610° F (322° C) / 421° F (216° C)


    Pentosin Super - DOT4 - 500° F (260° C) / 338° F (170° C)


    Pentosin RBF - DOT4 - 572° F (300° C) / 392º F (200° C)


    Performance Friction RH665 - DOT4 - 617° F (325° C) / 395° F (195° C)


    Project µ G-four 335 - DOT4 - 634° F (335° C) / 429° F (221° C)


    Prospeed RS683 - DOT4 - 683° F (360° C) / 439° F (224° C)


    Ravenol DOT4 - 500° F (260° C) / 329º F (165° C)


    Ravenol DOT5.1 - 500° F (260° C) / 356º F (180° C)


    Tarox Roadrace - DOT4 - 583° F (314° C) / 402° F (205° C)


    Torque RT700 - DOT4 - 683° F (360° C) / 439° F (226° C)


    TRW Grand Prix 600 - DOT5.1 - 594º F (312º C) / 400º F (204º C)


    ValvolineProSyn - DOT3/4 - 527º F (275º C) / 347º F (175º C)


    Wilwood Hi-Temp 570 - DOT3 - 570º F (299º C) / 284º F (140º C)


    Wilwood EXP600 Plus - DOT4 - 633º F (330º C) / 417º F (213º C)




    [Blockierte Grafik: http://www.tcrparts.com/v/vspf…g-four%20boil%20temps.jpg]



    Viele Hersteller haben darüber hinaus eigene Normen, bei VW ist das J 1704 FMVS16 Audi/VW 501.14.
    Zumindest Ate SL6 erfüllt diese Norm.


    http://www.ate.de/generator/ww…nload/bf_flyer_pdf_de.pdf


    Die Ate SL6 erzielt einen TSP von 265° und einen NSP von 175° C.
    Die Kaltviskosität liegt bei max. 700 mm²/s (bei Super 200 und Super Blue Racing max 1400 mm²/s).



    Damit wären wir beim nächsten Thema, der Viskosität:


    Wer in einer Gegend wohnt, in der es im Winter kräftig kalt wird, der ist also mit Ate SL6 oder einer
    DOT5.1 besser bedient. ABS und DSC funktionieren dann feinfühliger und schneller als mit einer DOT4
    weil DOT5.1 selbst bei arktischer Kälte deutlich dünnflüssiger bleiben und somit die Ein- und Auslass-
    ventile von ABS/DSC auch schneller arbeiten können.


    Grundsätzlich können aber auch alle DOT4 und DOT5.1 in jedem BMW verwendet werden. Von den
    einfacheren DOT3 rate ich dagegen ab !!
    Die Anforderungen an die DOT5.1 sind bezüglich Siedepunkt und Niedrigtemperatur höher als bei der
    älteren DOT4-Norm. Beide werden auf Polyglykolbasis hergestellt. DOT5.0 auf Silikonbasis dürfen nicht
    in einem aktuellen BMW verwendet werden.



    Jetzt mag sich mancher fragen warum viele teure BFs ''nur'' DOT4 erfüllen und nicht DOT5.1. ;)


    Die üblichen Motorsportfluids übertreffen die DOT5.1 hinsichtlich Siedepunkt meist deutlich, erfüllen
    diese Norm aber dennoch nicht weil sie bei arktischen Temperaturen für DOT5.1 zu dickflüssig sind.
    Bei -40° schreibt die DOT5.1 maximal die Hälfte der Viskositätswertes vor, den die DOT4 erlaubt. Das
    ist natürlich in skandinavischen Ländern oder in Russland nicht unwichtig für die ESP-Funktion.


    Nun ist es so, dass glykolbasierte BFs hygroskopisch sind (und das ist auch gut so weil Wasser gebunden
    wird). Das setzt natürlich mit der Zeit den Siedepunkt herab und kann zu Korrosion führen. Deshalb
    muss BF regelmäßig gewechselt werden. Wenn man die Bremse öfter sehr hart ran nimmt sollte das
    vielleicht besser jährlich geschehen (Vorgabe von VW: Neuwagen erstmals nach drei Jahren, dann alle
    zwei Jahre).



    Was also tun (sprach Zeus)?


    Nun, wer sein Auto ganz normal nutzt, der bleibt bei BMW und dem normalen Wechselintervall.
    Eine höchstwertige Alternative für den Alltagsfahrer ist Ate SL6.
    Wer viel Leistung in Zaum halten muss, sein Auto stärker beansprucht oder sogar mal eine
    Rennstrecke besucht, der darf und sollte mal über ein Upgrade und einen häufigeren Wechsel
    nachdenken.
    Unschlagbar ist die Castrol SRF, aber extrem teuer und die meisten werden das nicht brauchen.
    Ein guter Tipp sind noch die beiden Motul und die beiden Ate. Und wer die bernsteinfarbene
    Ate Super 200 und die blaue (wer hätte das gedacht) Super Blue abwechselnd benutzt wird es
    beim Wechsel leicht haben zu erkennen wann die neue BF aus den Nippeln rinnt. Man sieht es
    sofort an der Farbe. Und vglw. günstig ist sie auch noch.

    Grüße




    "Ich mag keine Probleme, ich stehe auf Lösungen."


    ein Chemiker


    sent from NSA monitored device

    11 Mal editiert, zuletzt von the bruce ()

  • Hi,


    vielen Dank für die umfangreiche Aufklärung. Ich denke hiermit sollte jedem geholfen haben. Bei meinem nächsten Interval, werde ich auf eine höherwertige Bremsenflüssigkeit ATE SL 6 wechseln.

  • Echt klasse,sehr informativ :thumbup:

    Glaubt was ihr wollt ...Es passt schon so ;)

  • Hallo,


    danke für die Infos.


    Jetzt hätte ich noch direkt ne Frage zum Thema.
    Da ich ja im Frühjahr die 335i Bremsanlage verbaue muss ja auch entlüftet werden usw.
    Bei mir wurde vorm Kauf letztes Jahr, ca. vor 6000km noch die BF gewechselt.
    Muss/soll ich die jetzt dann nochmal komplett tauschen, oder reicht es nur wieder mit ner gleichwertigen aufzufüllen?

  • Es macht nicht viel Unterschied ob man nur entlüftet (und oben am Behälter entsprechend nachfüllt)
    oder gleich einen kompletten Wechsel durchführt.


    In den (dünnen) Leitungen ist nur sehr wenig BF. Das meiste befindet sich in Vorratsbehälter, ESP/DSC-
    Block und Sätteln. Da diese ja getauscht werden und dann noch ein wenig rausgepumpt werden muss
    um sicher zu entlüften, dürfte es ohnehin auf einen Austausch von schätzungsweise der Hälfte der vor-
    handenen BF hinauslaufen.


    Da würde ich dann gleich komplett wechseln und man hat wieder für zwei Jahre Ruhe. Das erscheint
    mir vernünftiger und wirtschaftlicher.

    Grüße




    "Ich mag keine Probleme, ich stehe auf Lösungen."


    ein Chemiker


    sent from NSA monitored device

  • Alles klar, dann werde ich beim Bremsenwechsel gleich komplett wechseln und die ATE SL6 einfüllen lassen.

  • wie soll mann am besten selber entlüften nach dem bremssattel wechsel , weil es fast komplett leer sein wird

  • Das sollte man verhindern indem man die Leitungen verschließt. Ist erst mal
    Luft in den DSC-Block geraten bekommt man die nur über den Werkstattester
    wieder raus. Normales Entlüften reicht dann nicht mehr. Der Tester steuert
    die DSC-Ventile an und nur so bekommt man dort die Luft wieder raus. Ich
    würde vor dem Öffnen jeder Leitung darauf achten, dass der Behälter immer
    randvoll ist

    Grüße




    "Ich mag keine Probleme, ich stehe auf Lösungen."


    ein Chemiker


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