Motor einfahren

  • Hallo,


    folgenden interessanten Artikel möchte ich hier mal einstellen.


    "Wie geschmiert"
    04.11.11 – Wolfgang Richter

    Sie wollen sich in nächster Zeit einen Neuwagen kaufen? Dann lesen Sie diesen Text!


    Gleich nachdem der Händler Ihnen den Autoschlüssel feierlich überreicht hat, könnten Sie nämlich einen großen Fehler begehen – und den Motor schonen. Sie täten damit nur das, was noch immer in den meisten Bedienungsanleitungen steht. Doch der Rat gilt unter Experten schon lange als überholt: "Bereits vor etwa zehn Jahren haben wir auf unseren Motorprüfständen festgestellt, dass sich eine geringe Beanspruchung beim Einfahren auf Reibung und Verschleiß im späteren Betrieb ungünstig auswirkt", sagt Peter Berlet von der IAVF Antriebstechnik, einem unabhängigen Dienstleister für Motorenentwicklung. Bei Aggregaten, die anfangs nur mit kleiner Drehzahl und geringer Leistung liefen, war die Verschleißrate später um 50 Prozent höher als bei Exemplaren, die zu Anfang voll belastet wurden. Berlet empfiehlt daher, mit dem neuen Wagen bereits nach einer kurzen Aufwärmphase von nur wenigen Minuten auf die Autobahn zu fahren und Vollgas zu geben.


    Dieser Rat ist heute beim Betrieb der neuen, energiesparenden Otto-Motoren wichtiger denn je. Um die gleiche Leistung bei leichteren, sprich kleineren Motoren zu erreichen, werden diese "aufgeladen": Die Luft für die Verbrennung in den Zylindern wird vorher verdichtet (Turbolader) und zudem pro Zylinder mehr Treibstoff eingespritzt – wie beim Diesel direkt in den Brennraum. Wo vorher sechs Zylinder nötig waren, schaffen nun vier die gleiche Leistung. Einerseits verringern sich die Reibungsverluste im Motor durch die weggefallenen zwei Zylinder. Andererseits aber sind die Belastungen in den verbliebenen vier Zylindern größer geworden – durch höheren Druck und höhere Temperaturen.


    "Damit diese harten Bedingungen nicht zu einem frühzeitigen Ende des Motors führen, ist es sehr wichtig, Reibung und Verschleiß zu minimieren", sagt Professor Matthias Scherge vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik. Etwa ein Drittel der Energie beim Auto ginge durch Reibungsverluste in Motor und Getriebe verloren. Zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat Scherge deshalb ein Zentrum für Mikrotribologie gegründet – der Lehre von den mikroskopischen Ursachen für Reibung. Dort erforschen die Wissenschaftler ein mysteriöses Phänomen: den "dritten Körper". Er scheint der Grund dafür zu sein, weshalb das Einfahren einen so großen Einfluss auf Reibung und Verschleiß des Motors hat.


    Reiben nämlich zwei Metallflächen aufeinander, die durch einen dünnen Schmierfilm getrennt sind, und wird durch die Bewegung genügend Energie auf die Reibflächen übertragen, verändert sich dort das Material bis zu einer Tiefe von einigen Hundert Nanometern. Die Kristallstruktur wird extrem fein, die Kriställchen sind statt einiger Mikrometer nur noch 20 Nanometer groß. Dem Schmierstoff, also dem Motoröl, sind zahlreiche chemische Verbindungen zugesetzt, die sich dauerhaft zwischen den Nanopartikeln einlagern. "Das Ganze ähnelt einem hochkomplexen Teig, der ständig durchgeknetet wird und der ganz andere Eigenschaften hat als die ursprünglichen Metalle", erklärt Matthias Scherge. Dieser Teig, der "dritte Körper", nimmt auch einen großen Teil des metallischen Abriebs auf. Das Besondere daran: Aus bisher noch ungeklärten Gründen sorgt der Teig für extrem günstige Reibungsbedingungen.


    "Nur wenn man den Motor richtig einfährt, bildet sich ein idealer dritter Körper aus", erklärt Scherge. Seine Laborversuche zeigen, dass die Reibung dann etwa zehnmal kleiner ist als etwa bei Beschichtung der Reibflächen mit diamantähnlichem Kohlenstoff. Dieses etablierte Verfahren kommt zum Beispiel in den sparsamen "BlueMotion"-Modellen von Volkswagen zum Einsatz.


    Da aber kein Kunde das Einfahren so genau dosieren kann, wollen sowohl Matthias Scherge wie auch Peter Berlet den Prozess des Einfahrens in die Automobilproduktion vorverlegen. Reibende Werkzeuge sollen die Flächen so vorbehandeln, dass sie später im Fahrbetrieb einen dritten Körper ausbilden. Dafür spielt die nanokristalline Struktur der Oberfläche, die durch die Vorbehandlung erzeugt wird, offenbar eine wichtige Rolle. Die Fraunhofer-Forscher wollen deshalb die Reibflächen zusätzlich mit einem Laser aufschmelzen und rasch abkühlen lassen, sodass keine großen Kristalle wachsen können. Peter Berlet hat ausgerechnet, dass allein die Vorbehandlung der Kolben und der Kurbelwelle insgesamt drei Prozent Kraftstoff sparen würde.


    Ob sich diese Zahlen in der realen Produktion bestätigen, bleibt abzuwarten; beide Ingenieure arbeiten aber schon mit der Automobil- und Zulieferindustrie zusammen. Offiziell gibt man sich dort allerdings noch zurückhaltend – auch weil der dritte Körper die etablierten Geschäftsmodelle gehörig durcheinanderwirbeln würde. Bislang konnte die Industrie nämlich Reibung und Verschleiß vor allem mit Beschichtungen verringern. Die machen die Bildung eines dritten Körpers aber komplizierter – oder verhindern sie gleich ganz. So etwa "Triondur C" vom Zu- lieferer Schaeffler, eine mehrlagige Beschichtung mit diamantähnlichem Kohlenstoff, in die der Branchen-Primus viel Entwicklungsarbeit gesteckt hat. Das Unternehmen Federal Mogul erreicht mit seiner "EcoTough"-Beschichtung aus Grafit, Molybdändisulfid und Kohlefasern für die Zylinderkolben eine Spritersparnis von knapp einem Prozent. Und bei Daimler, als einziger Autohersteller Partner des Mikrotribologie-Zentrums, verweist man gern auf die hauseigene Lackschicht aus Eisen. Sie spart in der neuen S- und M-Klasse immerhin auch drei Prozent Treibstoff durch Reibungsreduktion.


    Ganz ohne Veränderung der Oberfläche kommt ein anderer Weg zur Reibungsminimierung aus: der Ersatz von Gleitlagern durch Wälzlager in Motor und Getriebe. "Rollreibung ist um den Faktor fünf bis zehn kleiner als Gleitreibung", erklärt Dirk Spindler, Entwicklungsleiter bei Schaeffler. Während sich in Gleitlagern zum Beispiel eine starre Achse in einer Halterung dreht, haben Wälzlager Kugeln oder Kegel, auf denen sich die Bauteile aneinander vorbeidrehen. Das große Hindernis bei der flächendeckenden Einführung von Wälzlagern nennen die Ingenieure NVH (Noise, Vibration, Harshness) – um nicht "klappern" sagen zu müssen. Während nämlich in Gleitlagern die Bauteile auf einem Schmierfilm gleiten, kommt es trotz Schmierung in Wälzlagern immer zu Metall-Metall-Berührungen, die Geräusche machen.


    "Durch kleinere Fertigungstoleranzen und damit weniger Spiel in den Lagern haben wir hier aber große Fortschritte gemacht", sagt Spindler und verweist auf seine wälzgelagerte "Ausgleichswelle", die mittlerweile in Motoren von Daimler und Fiat für mehr Laufruhe sorgt und immerhin zu etwa zwei Prozent Spriteinsparung führt.


    Experten halten es für realistisch, die Reibung in Motor und Getriebe insgesamt um 30 bis 50 Prozent zu senken, was einer Spritersparnis von 8 bis 13 Prozent entsprechen würde. Zumindest die Reibflächen ohne Beschichtung könnten die Autofahrer schon heute durch richtiges Einfahren selbst optimieren. Wenn denn die Autobauer mal ihre Bedienungsanleitungen auf den neuesten Stand der Forschung bringen würden.
    Doch selbst bei Daimler steht in den aktuellen Bordbüchern der C-, E- und S-Klasse unter "Einfahren": "Je mehr Sie am Anfang den Motor schonen, desto zufriedener werden Sie später mit der Motorleistung sein." Vergessen Sie es – und starten Sie einfach durch.

    Dieser Text ist der Zeitschriften-Ausgabe 09/2011 von Technology Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, unter http://www.heise-shop.de/Produ…nology-Review/Einzelhefte online portokostenfrei bestellt werden.


    URL dieses Artikels:
    http://www.heise.de/tr/artikel/Wie-geschmiert-1369325.html


    Grüße

  • Ich denke schon dass, das im Grunde richtig ist. Ich weiss zum Beispiel,dass es bei den Motorrädern von Honda keine Einfahrhinweise mehr gibt. Auf Nachfrage hieß es damals beim Händler "vielleicht würde ich die ersten 500km etwas langsamer machen, aber eine Einfahrvorschrift gibts nicht mehr, insofern muss die Vollgas gleich abkönnen". Auch die Motorräder die zu Probefahrten zur Verfügung stehen werden auf einer solcher gewiss nicht kurz gehalten. Auch nachvollziehbar, denn wenn ich
    mir so ein Teil kaufe will ich auch wissen was es kann, da ist mir der Kilometerstand egal. Hat bei meiner Honda bestens funktioniert.


    Und ich denke bei Autos ist das nicht anders. Wenn ich in den Genuss komme als Leihwagen mal was anderes zu fahren als meinen eigenen, will ich auch wissen was da so kommt, ob der nun 500 oder 5000 auf der Uhr hat.


    Unsere Dienstwagen werden auch von Anfang an getreten. Bisher hat es noch keinen dahin gerafft. Egal ob Audi, BMW oder VW, gehalten haben sie alle und haben in der Regel, während der Laufzeit die Werkstatt nur für die vorgesehenen Wartungsintervalle gesehen. Unsere reinen Aussendienstler (meist mit A4 2.0 TDI unterwegs) haben bei Fahrzeugabgabe zwischen 120.000 und 180.000 gelaufen. Davon hat meines Wissens noch keiner die Füsse gestreckt und die gehen da sicher nicht super sanft mit um. Mein letzter TDI hat es auch sehr gut überlebt und lief mit 150.000 immer noch wie eine eins. Musste den erst vor kurzem abgeben und der hat auch von Anfang mehr oder weniger Vollgas gekriegt. Der Neue muckt auch nicht, hat aber erst 3000 auf der Uhr.
    Negativ Beispiel gibt es auch.Chef fährt Range Rover mit dem neuen V6 Diesel, der hat den jetzt ungefähr drei Monate, kennt eigentlich nur Vollgas und hat vor zwei Wochen schon den zweiten Turbo gekillt :D


    Insofern mag das wohl alles stimmen. Wenn ich mir nun aber ein Neufahrzeug im Wert von 40/50 oder gar 60K kaufe wäre ich mir nicht sicher, ob ich es da drauf anlegen würde. Glaube so ein bisschen das "schlechte Gewissen" fährt da sicher mit. Ist immerhin verdammt viel Kohle. Klar gibt es die Garantie und wenn er Hopps geht gibts halt nen neuen Motor. Aber wenn sie Dir nachweisen können, dass Du gleich von vornherein den Stein auf dem rechten Pedal hast liegen lassen, sieht man das bei entsprechender Automarke sicher weniger entspannt. Ich glaube, wenn ich viel Geld ausgebe für ein Auto, dann bin ich da schon deutlich vorsichtiger und automatisch gehemmter, mal unabhängig davon was das Teil gekostet hat (Für den einen sind 5k oder 10k ne Menge Geld, andere fangen vlt erst bei 50k an zu zählen).

  • Das ist ja wie im Beitrag schon erwähnt etwas länger der Fall, dass das einfahren nicht mehr unbedingt notwendig ist. Die ersten paar Kilometer würde ich vll auch noch "vorsichtig" fahren, sagen wir mal bis 800-1000. Dann aber auch nicht anderes behandeln wie einen mit 50.000km. Außerdem kommt meiner Meinung nach dazu wie man den Motor im laufenden Betrieb behandelt, was vll noch viel wichtiger ist. Also den Motor nicht bei -10 Grad direkt über die Bahn treten. Also kalt und warm fahren... Hatte bei meinem alten über 170.000km so kein einziges Problem mit meinem Auto..

  • Also das "richtige" Einfahren - zumindest wie ich es kenne - steht gar nicht in solch einem großen Widerspruch zum obigen Artikel, zumindest was die Belastungen angeht. Das typische Einfahren hat doch den Sinn, Unebenheiten der Kolben und Zylinder zu glätten. Daher sollte man auf den ersten 1000 km "langsamer" machen. Langsamer machen heißt ja aber nicht, bei max. 2000 U/min zu schalten und nahe an der Leerlaufdrehzahl vor sich hin zu dümpeln. Man sollte nur möglichst nicht dauerhaft im Grenzbereich unterwegs sein. Optimalerweise überschreitet man 3/4 der Grenzdrehzahl nicht oder eben nur kurz. Wie gesagt, so kenn ich das.
    Nehmen wir einfach mal an, die Grenzdrehzahl liegt bei etwa 7000 U/min. 3/4 davon wären 5250. Mal im Ernst, wenn man nicht gerade dauerhaft mit 280 Sachen die BAB runterknallt, überschreitet man diese Drehzahl selbst bei zügiger Fahrweise auch nicht allzu häufig. Wenn dann auch nur beim beschleunigen. Oder kennt ihr jemanden, der mit dauerhaft 6500 U/min im 1. durch die stadt fährt. Also ich nicht :D .
    Und auch diese Aussagen wie "unsere Autos werden ständig getreten" sind wohl eher subjektiver Natur. Für den einen heißt treten: der Begrenzer hat abgeregelt, für den anderen heißt es: huch, ich hab den Motor gehört. Im absoluten Grenzbereich werden normalerweise auch Dienstfahrzeuge nicht dauerhaft bewegt.
    Von daher sollte man übermäßige Ausreißer sowohl nach oben als auch nach unten auf den ersten km wohl meiden.
    Ich für meinen Teil - sollte es mal ein Neuwagen werden - werde das Auto ganz normal behandeln. Auf den ersten km vlt den Begrenzer in Ruhe lassen, aber sonst wie immer zügig beschleunigen, hoch und runterschalten je nach Sitution. Was ich aber immer machen werde, ist es den Motor vorher ordentlich WARMzufahren bevor ich ihm denn dann die Sporen gebe.
    Das

    Zitat

    mit dem neuen Wagen bereits nach einer kurzen Aufwärmphase von nur wenigen Minuten auf die Autobahn zu fahren und Vollgas zu geben


    würde ich mit keinem meiner eigenen Autos machen. Egal ob Neu- oder Gebrauchtwagen :D

    Ich habe eine Menge meines Vermögens für Frauen, Alkohol und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach so verprasst.


    - George Best -



    Gruß
    Arthur

    3 Mal editiert, zuletzt von CabRyder ()

  • Ähnliche Artikel und Studien hab ich mir auch durchgelesen bevor ich den F30 geholt habe - war noch etwas skeptisch, aber ich denke heute würde ich es ähnlich machen.


    Die 2000km hab ich allerdings nicht eingehalten sondern hab auch schon auf der Heimfahrt aus München etwas stärker beschleunigt, war kein Kickdown, aber eben zügig.

    Gruß Hendric


    Bei Interesse am Umbau von Abgasanlagen => PN :thumbup:

  • Im absoluten Grenzbereich werden normalerweise auch Dienstfahrzeuge nicht dauerhaft bewegt.


    Das habe ich damit auch nicht sagen wollen. Natürlich ist das auch von der jeweiligen Verkehrssituationabhängig u.s.w...Wenn vor Dir alle 100 fahren wirds schwierig 200 zu fahren :) und auf der Rennstrecke fahren die ja nun auch nicht. Einigen wir uns auf "Ob nun neu oder nicht, auf den Motor bez dessen Laufleistung wird keine Rücksicht genommen" ?! ;)

  • Mein alter Ford Fiesta Turbo Diesel den hab ich auch bei -15Grad kalt getretten :D
    Nix warm und kalt fahren


    Fazit: hab ihn mit 150k KM abgegeben und ich seh ihn heute noch problemlos durch die Gegend fahren :)
    Ohne Probleme.



    //Mit meinem BMW mach ich das natürlich nicht so :P

  • So ich hab mal das gute alte Handbuch bemüht Bei mir steht da folgendes:



    Da bin ich mit meinen 5250 Umdrehungen zwar bissle höher, aber auch mit 4500 lässt es sich als Normalfahrer wohl aushalten für die erste Zeit.
    Ich frage mich nur eines: Warum sollte ich als Verbraucher eher auf irgendwelche Studien oder Tests hören (die wahrscheinlich noch unter idealen Laborbedingungen stattfinden), wenn mir mein Autobauer doch relativ genaue Angaben bzgl des Einfahrens gibt. Ich meine, wenn da steht Motoröl LL01 Freigabe, dann kippen wir ja auch nicht irgendeine 15W40 Plörre da rein.


    Und nochmal zu dem Bericht. Ich finde das durchaus interessant, hab aber doch noch ne Frage. Da steht doch, dass viele Hersteller ihre Oberflächen beschichten und dadurch die Ausbildung dieses dritten Körpers gehindert wird. Wenn das doch aber so ist, dann ist die Theorie, dass man mit einem heutigen Auto direkt Vollgas geben soll doch hinlänglich, weil der Effekt durch die Beschichtung nicht oder nur schlecht auftritt!? D.h. es müsste eigentlich für die Zukunft gelten, wenn Fahrzeuge ohne Beschichtung produziert werden. mal ganz unwissenschaftlich ausgedrückt...

    Ich habe eine Menge meines Vermögens für Frauen, Alkohol und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach so verprasst.


    - George Best -



    Gruß
    Arthur