Hinterachse überholen

  • Mein E90 musste sich aufgrund voranschreitenden Alters einer Frischzellenkur unterziehen. Hier soll es vorrangig um die Revision der Hinterachse gehen. Die Gummilager im Hinterachsträger lassen sich mit Spezialwerkzeug auch im eingebauten Zustand ausbauen, in diesem Fall ist die Achse jedoch ausgebaut, was die Sache relativ vereinfacht. Hierzu wurde aus Schrott ein Aufnahme gebaut.
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    Wenn die Achse draußen ist, kann es an die Demontage gehen. Diese war hier jedoch nicht unkompliziert, da eine Schraube in der Buchse des Spurlenkers durch Interkristalline Korrosion mit dieser eine untrennbare Verbindung eingegangen ist, ebenso wie einige der eingepressten Lager.
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    Es ist eine Überlegung wert, das Differential schon vorher auszubauen. Auf jeden Fall sollte der Kofferraum mit etwa 100 Kg Ausgleichsgewicht befüllt werden, um ein Vornüberkippen des Fahrzeugs zu verhindern. Des weiteren sollte man sich überlegen Verschlussstopfen für die Bremsleitungen vom Vorderwagen zur Hinterachse zu besorgen und mit einer Bremspedalstütze o. Ä. das Pedal zu blockieren, wenn das Bremssystem Luft zieht, muss es mit Entlüftungsroutine (Laptop) wieder von dieser befreit werden (außerdem erspart man sich so eine Sauerei in der Halle).


    Nun zum Kern der Sache, der Austausch der insgesamt 11 Gummilager am Hinterachsträger:


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    Die vier Tonnenlager (Pos. 2 & 3)und die drei Lager für das Differential (Pos. 11 & 14) lassen sich mit einem Auszieher und geeigneten Druckstücken gut auspressen. Die Lager für den Sturz- und Spurlenker (Pos. 9 & 10) sind höchstwahrscheinlich so festgesetzt, dass man hier mit Aufbohren und Aussägen rechnen muss. Darüber hinaus der erwähnte, unlösbare Spurlenker hat doch Zeit und Nerven gekostet.
    Der Wiedereinbau der reinen Gummilager geht in etwa wie der Ausbau, nur inkl. Gleitmittel und ein paar Passenden Schlauch bzw. Auspuffschellen. Die Lager für die Lenker dagegen erfordern unbedingt den Einsatz eines passenden Spezialwerkzeuges, hier ohne Garantie ein Beispiel: BGS-8829
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    Dies kann später noch sinnvoll zum Austausch der Lager am Radträger eingesetzt werden.
    Aufgrund des immensen Rostbefalls habe ich die Achse noch blankgeschliffen, mit Rostumwandler, einer 2k Epoxidharzgrundierung und Mattschwarz instand gesetzt.
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    Zu den Kosten:


    1. Gummilager inkl. der korrespondieren Lager im Radträger etwa 170€
    2. Stabistangen & Lagerung, sowie alle erforderlichen Lenker und Dämpfer etwa 350€
    3. Schrauben, Kleinteile / Clips etwa 130€
    3. Lacke ca. 50€
    4. Leihwerkzeug für Gummilager 50€
    5. Spezialwerkzeug je nach Bedarf/ Einkaufsgelegenheit mind. 250€
    Summe: 1000€ plus Achsvermessung


    Wenn man die Achse schon raus hat, ist es sinnvoll die Bremsleitungen und Schläuche zu erneuern sowie den Höhenstandssensor bzw. dessen Gelenkarm auf Leichtgängigkeit hin zu kontrollieren.
    Mein Fazit zu dieser Aktion:


    Die meisten der Lager bei mir waren in einem ordentlichen Zustand, jedoch aufgrund einer größeren Rostbeseitigung am Fahrzeug, mussten ohnehin Tank und Achse raus,deshalb wurde gleich alles gemacht. Es gibt den Hinterachsträger neu bei BMW mit allen Lagern fertig eingepresst. Der Preis von etwa 850€ mag erst einmal viel erscheinen, jedoch spart man sich einiges an Werkzeug und Flucherei, wenn es schnell gehen muss, einen Neuen bzw. neuen gebrauchten Hinterachsträger besorgen und vorbereiten. Vorsicht bei den Trägern gibt es eine Unterscheidung zwischen Benzin / Diesel und M-Modellen.


    Edit: Bilder vernüftig(er) eingefügt

  • Vorsicht bei den Trägern gibt es eine Unterscheidung zwischen Benzin / Diesel und M-Modellen.

    Schöner Bericht.
    Kleine Ergänzung: es gibt auch Unterschiede nach Getriebe, also Schalt- oder Automatikgetriebe.


    Das was du hinter dir hast, habe ich vor mir.
    Ich werde mir auf jeden Fall einen Hilfsrahmen komplett vorbereiten und dann "nur" noch austauschen.

    Never attribute to malice that which is adequately explained by stupidity.

  • Fährst du Handschalter oder Automatik? Wenn Schalter, wieviel Kraft hast du für Lager Nummer 14 gebraucht? Ich hätte das vor ein paar Wochen gerne mitgemacht (Hinterachsträger gerade überholt), aber das hat sich keinen Millimeter bewegt. Habe eine M12 Gewindestange verwendet, nachdem mir die Mutter dann einfach eine Windung zurückgesprungen ist habe ich aufgegeben. Bei den Automatikmodellen sitzt da ein Gummibeschichtetes, geteiltes Lager drin, so wie die beiden Lager Nummer 11. Beim Handschalter hat das massiv Gummilager eine Metallhülle. Metallhülle im metallernen Achsträger... :S

  • Es ist ein Automatikfahrzeug, Lager Nummer 14 ist bei mir, wie du sagst, außen lediglich Gummi, ging halbwegs vernünftig raus, da der Rahmen jedoch aus mehreren Blechteilen zusammengeschweißt wurde und die eingestanzten Öffnungen nicht wirklich kongruent waren, ist der Wiedereinbau schon eher eine Überlegung für Spezialwerkzeug wert. Wenn in deinem Wagen eines mit Metallhülse verbaut ist, dann ist das ein ähnliches Kaliber wie Nummer 9 und die haben eine wirklich gute Zugänglichkeit für einen stabilen Abzieher mit langer Spindel und Druckhülse: nix zu machen. Da hilft dann eben leider nur das Loch aufbohren, bis man mit einer Säge reinkommt und es eben bis zum äußeren Rand hin von innen heraus aufzusägen.


    Der Wagen hat jetzt 170tkm auf der Uhr und nachdem ich eine ordentliche Strecke damit gefahren bin, muss ich sagen, es ist ein gewaltiger Unterschied. Im eingebauten Zustand hat ein KFZ-Meister das ganze begutachtet und die Achse für in Ordnung befunden, mir ließ es aber keine Ruhe und ich habe (da sie ohnehin raus musste) eben alles neu gemacht. Offensichtlicher Verschleiß ließ sich nur bei den Kugelgelenken im Radträger feststellen, die waren ziemlich leicht zu bewegen im Vergleich mit den Neuteilen. Da könnte man jetzt lange philosophieren, auf ein Ausschlussverfahren und sukzessives Tauschen der Lager hat sicher keiner Lust! Es ist viel Arbeit, aber es lohnt sich.

  • Servus !


    Sehr coole Doku, Respekt ! Habe die Operation vor 2 Jahren hinter mich gebracht und mir eine solch gut bebilderte Anleitung gewünscht.


    Frage: mit welchem Flutschi als Gleitmittel hast Du die Gummilager in den HAT eingezogen ?


    Tipp (aber wahrscheinlich mittlerweile eh zu spät): Statt der originalen HAT-Lager (02) und (03) die vom ///M3 hernehmen (andersrum einpressen, ist aber tricky weil keine Einführschräge vorhanden - geht aber mit etwas Mühe). Vorteil: Erheblich besseres Ansprechen von Fahrwerk und Lenkung und v.a. das Pendeln bei Geschwindigkeiten über 240 verschwindet gänzlich.


    Gruß
    Tobias

  • Da hilft dann eben leider nur das Loch aufbohren, bis man mit einer Säge reinkommt und es eben bis zum äußeren Rand hin von innen heraus aufzusägen.

    Ja, da hatte ich auch drüber nachgedacht. Angesichts der immensen Kraft zum Lösen hatte ich allerdings Angst, dass ich das neue Lager im Nachgang nicht mehr in den Sitz gezogen bekomme.


    Ich habe statt der serienmäßigen Hydrolager auch die M3 Lager verbaut, die sind nahezu Vollgummi.
    Zum Einziehen der Lagerung am Hinterachsträger in den Sitz habe ich Universalfett genommen und den Sitz von außen etwas mit dem Heißluftföhn erwärmt. Das vorherige Komprimieren (gerade der stabileren M3 Lager, die von oben ohne Konus in den Sitz müssen) ist Gold wert, hatte zufällig auch passende Rohrschellen da. Wenn die Lager einmal ein Stückchen im Sitz sind ist der Rest reine Kraftsache, die finden dann schon ihren Weg.
    Wenn man vergleicht wie weich die alten und wie hart die neuen M3 Lager sind bilde ich mir aber schon leichte Komforteinbußen ein. Sprich etwas mehr Vibrationen im Innenraum. Wenn es ein daily ist, würde ich auf keinen Fall härter als original M3 Lager gehen. Vielleicht ist es beim Benziner aber auch nicht so ausgeprägt wie beim Diesel.

  • Das vorherige Komprimieren (gerade der stabileren M3 Lager, die von oben ohne Konus in den Sitz müssen) ist Gold wert, hatte zufällig auch passende Rohrschellen da.

    Welche Rohrschellen nimmst du da? Ich hatte das an einer anderen Baustelle auch, das war ein Schei**!
    Meinst du, es nutzt was, die Teile 24 Std. ins Gefrierfach zulegen, damit sie vielleicht 0,5mm kleiner werden?

    Never attribute to malice that which is adequately explained by stupidity.

  • Zum Einziehen habe ich Gleitmittel von Marley für HT-Rohre verwendet. Die M3 Lager kommen leider wirklich zu spät, es ist jetzt wesentlich besser, aber eben bei hohen Geschwindigkeiten finde ich, dass das Serienfahrwerk in Kurven keinen guten Eindruck hinterlässt.

  • Welche Rohrschellen nimmst du da? Ich hatte das an einer anderen Baustelle auch, das war ein Schei**!Meinst du, es nutzt was, die Teile 24 Std. ins Gefrierfach zulegen, damit sie vielleicht 0,5mm kleiner werden?

    Also es geht hier lediglich um die Vollgummi M3 Lager für den Hinterachsträger. Die bestehen aus zwei metallischen Halbschalen, die vorne und hinten eine Dehnungsfuge habe. Sprich, die kann man ein Stück weit komprimieren, erleichtert aber das Einführen in den Sitz und die ersten paar Zentimer enorm. Hatte zwei recht massive Rundbolzenschellen/Spannbackenschellen da, eigentlich mal als Auspuffschelle gedacht. Sowas hier


    Spannbackenschelle Schlauchschelle Gelenkbolzen Bandschelle Auspuffschelle GBS (Unsere Seite enthält Affiliate-Links, für die unser Forum möglicherweise eine Vergütung bekommt.)


    Gefrierfach kann bei geschlossenen Lagerringen, wie Radlager, Lenkkopflager o.Ä. helfen. Hierbei sollte das aber zwecklos sein, da der Außenring ja mehrteilig ist. Sprich da erreicht man durch die Expansion des Metalls keinen Effekt.

  • Kurze Frage: Wo findet man Leihgeräte um alle Lager auszutauschen? … bisher habe ich nur das Ziehwerkzeug für die Tonnenlager gefunden, den Demontage/Montagesatz jedoch nirgendswo. Komprimierschellen wurden bereits bestellt.

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