Fachgerechter Radwechsel, wie gehts?

  • Wenn man die Radschrauben schmiert, einfach zur Sicherheit nach paar km nochmal mitm Drehmomentschlüssel kontrollieren. (Soll man ja eh, kostet nix und dient der eigenen Sicherheit.)

  • Einige Beiträge hier sind grob fahrlässig. Seid nicht böse, aber wer hier dazu animiert die Radschrauben
    zu ölen oder zu fetten, der hat keine Ahnung und sollte sich hier besser mit Ratschlägen zurückhalten.
    Gut gemeint ist eben nicht immer wirklich auch gut. Auch Kupferpaste hat an Rad und Bremse absolut
    nichts zu suchen. BMW untersagt das strikt und das aus guten Gründen.*
    Generell sind diese Drehmomentvorgaben auf trockene Verbindungen ausgelegt. BMW hat sich was dabei
    gedacht, und da macht es eben keinen Sinn, wenn Internet-Halbwissende sich für schlauer halten als
    Hundertschaften nicht eben dämlicher Ingenieure bei BMW.**



    Für den TE und alle anderen, die es interessiert:


    Zunächst besorgt man sich eine hochwertige 17er Kraftnuss, eine kurze Verlängerung und einen brauch-
    baren Drehmomentschlüssel. Und nein, es geht nicht ohne. Die Dinger aus der Grabbelkiste haben aben-
    teuerliche Abweichungen:


    http://www.offroadforen.de/vb/…aarstr%E4ubendem-Resultat


    Es gibt noch viel haarsträubendere Berichte über Chinateile. Hab jetzt keine Zeit die auch noch zu suchen.
    Zum Lösen festsitzender Schrauben sind die Billigdinger aber gut genug.


    Die hier dagegen taugen halbwegs:


    http://www.autoclassic.de/zeitschriftenartikel-3095.html


    http://www.motorradonline.de/r…-im-vergleichstest/435265


    Gedore, Hazet und Stahlwille bieten bereits für um die 100 € was brauchbares an und auch ein Proxxon
    tut's hinreichend, wenn man sorgsam mit ihm umgeht, ihn also nach der Arbeit entspannt und nicht zum
    Lösen missbraucht.***



    Einen Hydraulikwagenheber hat der TE ja bereits. Wenn das ein Billigding mit diesem unsäglichen Stahl-
    krallenteller sein sollte, dann man man einen Eishockeypuck zwischen legen, der kostet um 5 €.
    Desweiteren braucht man irgendwas passendes zum Sichern gegen Wegrollen, eine Drahtbürste und eine
    Tube Keramikpaste, bspw. Pagid Ceratec. Ähnliches gibt es auch von CRC, Berner, Würth, Liqui Moly und
    Castrol. Auch dünne Arbeitshandschuhe sind kein Fehler. Maurerhandschuhe sind ungeeignet. Zuletzt einen
    Markierstift, bspw. in weiß oder gelb, um damit die Position der Räder auf der Innenseite kenntlich machen
    zu können. Ein Luftdruckmesser ist auch kein Fehler, aber der sollte dann auch genau sein. Für 'nen Zwan-
    ziger bekommt man schon was ordentliches.


    Noch ein Wort zur Position: Fährt man Mischbereifung, dann hat man keine Wahl. Alles bleibt da, wo es im
    Vorjahr war. Fährt man rundum das gleiche Format, dann werden jedes Jahr abwechselnd die Räder vorne
    und hinten getauscht. Nur so fährt man die reifen gleichmäßig runter, muss später neue Reifen kaufen und
    kann dann auch immer den rundum gleichen Typ fahren. Was eindeutig das Beste ist. Auf gar keinen Fall
    jedoch ändert man ohne triftigen Grund die Seite - links bleibt links und rechts bleibt rechts.



    Dann zum Wechsel selbst:


    - zu montierende Räder auf Schäden inspizieren
    - Adapter für diebstahlhemmende Radschrauben parat legen
    - ebenso bei Fremdfelgen geeignete Radschrauben (!!!)
    - Fzg. auf ebener und glatter (wegen der Rollen des WHs) Fläche abstellen
    - bei Tieferlegung dickere Bretter auf den Boden legen und drauf fahren (warum wisst ihr wenn ihr es nicht macht)
    - Radschrauben lösen, aber noch nicht herausdrehen
    - Fzg. auf der anderen Seite gegen Wegrollen sichern > Keile + Handbremse + Gang einlegen
    - mit Wagenheber und geeigneter Zwischenlage (Puck) an vorgesehener Stelle (BDA) anheben
    - idealerweise heben beide Räder einer Seite ab, das ist mit Nachrüstfahrwerken leichter****
    - Rad abnehmen, Position markieren (VL, HR 2014 etc.)
    - Radnabe und Zentrierung mit Drahtbürste säubern (blank)
    - Zentrierung (und nur die) dünn (!!) mit Keramikpaste bestreichen (niemals Kupferpaste)
    - auch die Zentrierung der Felge säubern (hier reicht ein Lappen)
    - Räder sauber ansetzen, Radschrauben von Hand eindrehen (ggf. Nuss + Verlängerung als Eindrehhilfe)
    - dann über Kreuz mit normaler 1/2-Ratsche oder mit DMS mit maximal 50 Nm anziehen
    - wenn das an beiden Rädern passiert ist > ablassen, dann (wieder über Kreuz) mit 120 Nm anziehen
    - dito auf der anderen Seite
    - ggf. Räder und Reifen vor dem Einlagern säubern und auf Schäden untersuchen
    - nach rund 100 km das Anzugsmoment prüfen



    That's it. Jedenfalls soweit ich nichts vergessen habe.



    Wenn die Radschrauben schwergängig sind, dann gehören sie entweder ersetzt oder man entrostet
    und säubert sie alle mit der Drahtbürste. Ja, das ist Fummelarbeit. Aber auf gar keinen Fall versucht
    man den Rost mit Schmierstoffen zu kompensieren. Das ist Pfusch. Radbolzen werden nicht geölt und
    nicht gefettet, s.o. und den Link unten.



    Warum sollte man nach 50 bis 150 km das Anzugsmoment prüfen, wenn sich doch in aller Regel nichts
    mehr tut? Weil wir alle Menschen sind. Und Menschen machen bekanntlich auch mal Fehler.
    Das Nachziehen nach rund 100 km hat einen ganz simplen Zweck. Dabei fällt nämlich ggf. folgendes auf:


    - ein (vorher) versehentlich unzureichendes Anzugsmoment
    - eine einzelne vergessene Radschraube


    Wer jetzt behaupten wollte, dass das niemals vorkommt, der ist ein Träumer.


    Denn sein wir mal ehrlich, einen absolut fehlerfreien Mechaniker gibt es nicht und einen absolut fehler-
    freien Heimwerker ebenfalls nicht. Da ist es doch nicht verkehrt einen zusätzlichen Sicherheitsmecha-
    nismus zu schaffen. Zweimal den Schlüssel ansetzen ist nunmal statistisch eindeutig sicherer als einmal.



    Ich hoffe, das ist soweit vollständig und hilft dem Einen oder Andren ein wenig weiter.



    * elektrisch leitfähig, daher nicht kompatibel mit DSC-Sensorik; Unverträglichkeit mit Leichtmetallen
    > elektrochemische Spannungsreihe


    ** http://www.tuev-sued.de/upload…9409138985/09_beyer_d.pdf


    *** Eine Ausnahme bilden lediglich DMS mit Arretierfunktion, die explizit vom Hersteller zum Lösen von
    Verschraubungen gedacht sind. Mein alter DMS ist so einer, den nehme ich dafür. Und den Neueren
    dann zum Anziehen.


    **** Praktisch sämtliche Gewindefahrwerke und die meisten Sportfahrwerke (B12/B8-Dämpfer) besitzen
    verkürzte Ausfederwege, die Dämpfer weisen also einen kürzeren Aushub auf.

    Grüße




    "Ich mag keine Probleme, ich stehe auf Lösungen."


    ein Chemiker


    sent from NSA monitored device

    Einmal editiert, zuletzt von the bruce ()

  • :respekt: ... man kann auch beim Radwechsel eine Doktorarbeit ablegen ;)
    Stimmt soweit Alles, nur den Tipp mit Eishockeypuck würd ich verwerfen ... wenn nämlich der Puck nicht sauber in den Auflagerteller des Wagenhebers passt, schafft man genau da eine instabile Verbindung.
    Rollt dann der Wagenheber weg oder knickt bei den Billigteilen ein Rad unter Last weg, dann kommt´s Auto runter.


    Da würd ich lieber die Aufnahme am Auto verdrücken (passiert bei mir nicht, weil ich einen ordentlichen WH besitze).

  • Bruce


    Ich bin grundsätzlich sehr oft deiner Meinung, aber deine Theorie zu den Radbolzen kann ich auch aus der Praxis heraus nicht unterschreiben. Die Drehmomentvorgabe bezieht sich, wenn man es ganz genau nimmt, auch nicht auf verdreckte Gewinde und Kegelbunde sondern auf saubere Voraussetzungen.


    Wer schon einmal eine Radnabe getauscht hat und dazu noch neue Radschrauben verwendet, weiß groß der Unterschied zu gebrauchten Schrauben und Gewinden ist. Alleine schon das Lösemoment unterscheidet sich extrem. Trotzdem löst sich eine neue Verschraubung nicht einfach.


    Aus meiner Erfahrung nach lässt sich eine komplett neue Verschraubung leichter lösen als eine alte, bei der die Gewinde der Radschrauben grob gereinigt und mit WD40 benetzt wurden. Ich werde das, sofern die Radschrauben nicht leicht rein und raus gehen auch weiterhin so handhaben. Wie schon geschrieben, hatte ich schon das Vergnügen das mir eine Radschrauben das Gewinde in der Nabe zerstört hat.

  • Radschrauben werden nicht geölt oder gefettet.
    Das gilt eigentlich bei allen Drehmoment angezogenen Sachen.
    Damit verfälscht man nur sehr stark das Anziehdrehmoment.
    Das kann sogar so weit gehen das du mit dem Kegel der Schraube die Felge sprengst.
    Kommt zwar äußerst selten vor, kann aber sein.
    Wenn dann nur die Schrauben schön sauber machen und wenn sie dann immer noch streng gehen mit dem passenden Gewindeschneider die Gewinde in der Radnabe nachschneiden.


    Jeder Maschinenbauer lernt das schon in der Ausbildung.
    KFZ Mechatroniker lernt das genau so in der Ausbildung.


    Gesendet von meinem GT-I9100 mit Tapatalk 2

  • Nach dem montieren fahrzeug ablassen und mit drehmomentschlüßel nachziehen...laut bmw bzw meines :D 120NM


    Wobei ich den Wagen nie komplett ablasse, sondern nur so weit, dass ich die Schrauben mit dem vorgesehenen Drehmoment anziehen kann, ohne das sich das Rad dabei anfängt zu drehen. Ist natürlich nur auf der Vorderachse wichtig. Hinten dreht sich eh nichts, wegen Gang und angezogener Handbremse. Denn beim kompletten Ablassen verspannt sich das Rad ja etwas und somit würde man Schrauben oben und unten ungleichmäßig anziehen. Wenn man sich an das "nach 50 km bis 100 km nachziehen" hält, ist das aber nicht unbedingt schlimm.


    Die eingestellten Drehmomente trifft man meistens sowieso nicht. Drehmomentschlüssel hin oder her. Denn die Beschaffenheit der Gewinde(gänge) und auch, wie man anzieht (Geschwindigkeit), spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich will damit aber NICHT ausdrücken, auf einen Drehmomentschlüssel zu verzichten. Bitte nicht. Theoretisch müsste dieser auch regelmäßig geeicht werden.

  • Pit und Chris, eure Einwände lasse ich durchaus gelten.


    Wie weit der Eishockeypuck sicher funktioniert, hängt durchaus ab vom Teller des WH und von
    der Aufnahme unterm Auto. Bei BMW immerhin ein Kunststoffblock unterm Schweller.


    Es stimmt auch, dass ein gammeliges Gewinde (beide Seiten - Radnabe und -bolzen) nicht optimal
    ist. Aber dazu sagte ich ja schon: Das gehört dann gereinigt oder eben erneuert und nicht ein-
    fach geölt oder gefettet. Der Tipp mit dem Gewindeschneider ist übrigens gar nicht so übel. BMW
    macht jedenfalls klare Vorgaben und das nicht aus Zufall.
    An der HA kommt ja noch hinzu, dass ein Schmiermitteleintrag in die Bremstrommel der Handbremse
    sicherlich nicht erstrebenswert ist.


    Noch ein Link zum Thema "Billig-Drehmomentschlüssel" - schlichtweg haarsträubend:


    http://www.radforum.de/threads…tschluessel-topcraft-lidl


    Das Ding ist unkalibriert schlimmer als gar kein DMS. Eine vorgegaukelte Genauigkeit (man hat ja
    ein gutes Gefühl, weil man einen DMS benutzt hat) ist gefährlich, denn man verlässt sich darauf.



    Und nein, man muss keine Doktorarbeit daraus machen. Aber es ist auch nicht zu verharmlosen.
    Zum Einen möchte niemand ein Rad verlieren. Aber man möchte auch keine verzogenen Radnaben
    und Bremsscheiben. Und will mir hier ernsthaft jemand erzählen, dass zu stramm angeknallte Rad-
    bolzen nicht vorkommen? Und möchte jemand ernsthaft behaupten, dass Bremsenrubbeln nicht
    zu den häufigsten Ärgernissen zählen?


    Das kann man verhindern. Nur muss man sich dann an ein paar Basics halten.


    Der Besuch einer Werkstatt verhindert sowas jedenfalls nicht. Die Jungs stehen unter enormem
    Druck, sie arbeiten in der Radwechselsaison unter akkordähnlichen Verhältnissen. Also muss der
    Druckluftschrauber ran, für das Gewinde säubern fehlt die Zeit und von Hand eindrehen ist auch
    nicht. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass man erst einen Termin machen und ggf. erst
    seine Räder ankarren muss, dann ist das Selbstwechseln die bessere Alternative. Günstiger ist es
    sowieso. Allerdings wird es nur "besser", wenn man es richtig macht und halbwegs brauchbares
    Werkzeug benutzt. Anständiges Werkzeug muss man immerhin nur einmal im Leben kaufen.



    BTW, sollte man den Thread nicht besser in die "Räder & Reifen"-Ecke verschieben?

    Grüße




    "Ich mag keine Probleme, ich stehe auf Lösungen."


    ein Chemiker


    sent from NSA monitored device

  • Naja, ich schreibe ja "mit WD40 benetzen" und nicht ertränken ;)


    D.h. ich mache die Schraube mit der Drahtbürste sauber, spüre sie mit WD40 und stelle sie für 5 Minuten auf ein Zewa, damit wirklich nur noch ein Film drauf ist und nicht die Siffe runterläuft ;) Und das aber nur bei Kameraden die sehr schwergängig rausgegangen sind.


    Das mit dem Gewindeschneider ist klar zu bevorzugen, aber gerade wenn man ihn braucht, hat man ihn nicht da. Und M12x1,5 (beim E90) ist ja nicht gerade Standard im Werkzeugkasten. Die Standardsteigung bei M12 ist 1,75