Hallo,
ich möchte mich hier mal zu dem Thema Tuning-Boxen äußern und deren Funktionsweise erläutern.
Kurze Info zu mir, ich bin 22 Jahre alt (mittlerweile 24), studiere mit evoformy (Michael) zusammen Maschinenbau und befasse mich seit ca. einem Jahr mit dem Thema Tuning an Diesel Fahrzeugen. Selbst fahre ich einen E46 320d touring FL mit momentan 425 Nm und 200 PS.
Über ein Jahr habe ich mir Kenntnisse im Bereich der Motorsoftware und Optimierungen angelesen und anschließend meine ersten Files selbst geschrieben, mit guten Erfolgen.
Zurück zu den Boxen.
Es gibt insgesamt 3 Arten dieser Boxen, in der grundsätzlichen Funktion unterscheiden sich die einfacheren ersten beiden nicht wirklich.
Prinzipiell ist zu sagen, dass das Drehmoment eines Diesel Motors proportional abhängig zu der eingespritzten Kraftstoffmenge ist.
Die Leistung P [PS] ergibt sich aus Drehmoment M [Nm] * Drehzal n [1/min] / 7022
Einfach mal Nachrechnen anhand von Leistungsdiagrammen aus dem Netz [Blockierte Grafik: http://www.e46fanatics.de/images/smilies/wink.gif] (Nicht die Verluste im Antriebsstrang und den Reifen vergessen)
Es muss natürlich genügend Luft für die Verbrennung zur Verfügung stehen und das bringt uns direkt zur ersten Art dieser Boxen.
1. mehr Kraftstoff durch Anheben des Raildrucks
Zu erkennen sind diese Boxen daran, dass sie immer zwischen den Raildrucksensor am Fuel-Rail gesteckt werden.
Es wird das Signal des Raildrucksensors abgefangen, mit einem Mikroprozessor verrechnet und ein neues Signal an die originale Motorsteuerung geschickt.
Die Motorsteuerung, bei BMW Dieseln DDE genannt, erhält somit ein verfälschtes Signal und denkt der Raildruck sei zu niedrig. Es wird nachgeregelt, bis der "Soll-Wert" am DDE ankommt. Der eigentliche Raildruck ist natürlich viel höher. Dies ist ja auch gewünscht, denn nur so können die Hersteller solcher Boxen mehr Kraftstoff einspritzen.
Vorteile sind die Einfachheit und die schnelle Montage, sowie der geringste Preis.
Nachteile, die fehlende Anpassung der Luftmasse über den Ladedruck. Somit kommt es sehr oft zu starkem Rauchausstoß und im schlimmsten Fall zu einer Überhitzung der Kolben. Autos mit DPF filtern den Ruß recht gut heraus, müssen allerdings viel öfter regeneriert werden und verschleißen dadurch auch schneller. Auch die Hochdruckpumpe findet das Ganze auf Dauer nicht besonders schmeichelhaft.
Alles in Allem die einfachste und deswegen günstigste Leistungssteigerung, aber auch die gefährlichste.
2. mehr Kraftstoff durch Anheben des Raildrucks und Erhöhen des Ladedruck
Diese Boxen funktionieren genauso wie Variante eins, es wird jedoch zusätzlich der Ladedruck und damit die verfügbare Luftmasse angehoben.
Berechnen lässt sich das recht einfach.
Luftmasse pro Hub in mg und Zylinder = Hubraum * volumetrische Effizeinz * absoluter Ladedruck/Zylinderanzahl (beim 320d MAF [mg/cycle] = 1995 ccm * 0,90 * 1,6 Bar / 4 = 718 mg Luft)
Man erkennt, diese Boxen müssen nun auch das Ladedrucksignal manipulieren. Es geht also zusätzlich ein Kabel zum Ladrucksensor in der Ansaugverohrung.
Vorteil es wird neben mehr Kraftstoff auch mehr Luftmasse bereitgestellt, der Motor kann den zusätzlichen Kraftstoff nun auch annähernd Rußfrei verbrennen. Vorausgesetzt die Box ist gut abgestimmt. Sie kann ebenso leicht aus wie eingebaut werden. Das Rückrüsten ist in 10 Minuten erledigt.
Nachteilig ist weiterhin die Anhebung des Raildrucks. Wird dieser jedoch nur leicht erhöht, sprich wird mit einer modereaten Drehmoment/Leistungssteigerung geworben sind die höheren Drücke als vertretbar zu betrachten. Gleiches gilt für den Turbo.
Kosten tun solche "komplexeren" Boxen dann schon etwas mehr.
Das Fazit zu Boxen zweiter Art, bei moderaten Angaben seitens der Hersteller zur Leistungssteigerung als durchaus empfehlenswert anzusehen. Vorausgesetzt man fährt nicht nur Vollgas und möchte sich die Möglichkeit einer schnellen Rückrüstung offen halten.
Extreme Leistungssteigerungen gehen hier wieder sehr stark auf die Hochdruckpumpe und deren Lager !
3. mehr Kraftstoff durch länge Einspritzzeiten
Diese Boxen sind die aufwändigsten, denn hier wird das Siganl jedes einzelnen Injektors manipuliert. Folglich gehen hier bei einem 4 Zylinder vier Kabel ab, bei einem Sechsender sechs.
Da schon recht viel Aufwand für die Manipulation der einzelnen Injektoren betrieben wird passen die meisten Boxen dieser Bauart auch den Ladedruck wie bei Box-Art Nr. 2 an.
Vorteile sind die nahezu perfekte Anpassung der Kraftstoffmenge auf jedem Injektor. Zudem kann hier und nur hier mittels einer Box auch der Einspritzzeitpunkt manipuliert werden. Es kann eine viel akkuratere Einspritzung erfolgen, was der Effizienz der Verbrennung und den resultierenden Temperaturen zu Gute kommt. Der Motor kann hier sehr präzise und haltbar in seiner Leistung gesteigert werden.
Nachteil bei dieser Manipulation ist die Komplexität. Es muss eine sehr schneller Mikroprozessor verbaut werden, der die Datenflut der Injektoren bewältigen kann. Das schlägt sich natürlich im Preis wieder.
Boxen der komplexesten Art kann man als sinnhafteste Option der Leistungssteigerung durch ein zusätzliches Steuergerät bezeichnen. Sie arbeiten am präzisesten und damit am "schonensten" für das gesamte Einspritzsystem.
Alle modernen Boxen verfügen über sogenannte Fail-Safe Algorithmen welche die Box bei einer Überschreitung der verträglichen Drücke abschaltet, oder drosselt. Leider weiß niemand so genau wo und wie die Hersteller der Boxen diese Grenzen in ihrer Software gesetzt haben.
Es kann nur gemutmaßt werden, ob beim Greifen einer solchen Schutzschaltung der Box nicht schon etwas mechanisch kaputt gegangen ist.
Die versprochene Mehrleistung bei geringerem Verbrauch ist mit Vorsicht zu genießen. Denn die DDE weiß bei allen 3 Boxen nichts von dem zusätzlich eingespritzen Kraftstoff. Die Anzeige des durchschnittlichen Verbrauchs lügt dem Fahrer somit ins Gesicht. Das Auto weiß selbst nicht mehr was es nun genau verbraucht.
Etwaige reale Verbrauchsvorteile resultieren aus dem gesteigerten Drehmoment und dadurch der Möglichkeit in einer höheren Gangstufe und niedrigerer Drehzahl zu fahren.
Abschließend ist zu sagen, dass jede Art dieser Boxen immer eine Manipulation darstellt, welche das DDE nicht mitbekommt. Anders ist es bei der Kennfeldoptimierung direkt im Steuergerät.
Wer also lange und zuverlässig eine Leistungssteigerung für sein Auto möchte, sollte sich ernsthaft Gedanken machen, ob die Boxen der Variante 1 und 2 eine lohnende Investition sind.
Leider werden überwiegend nur diese Varianten verkauft.
Jeder der einmal eine Box und anschließend eine echte Kennfeldoptimierung gefahren ist weiß, dass kaum eine Box an die Laufruhe und die Leistungsentfaltung einer echten Optimierung mit Überarbeitung der Software im DDE herankommt.
So viel Text, aber ich hoffe, dass ich allen Sympathisanten solcher Boxen hilfreich aufzeigen konnte wo die Vor und Nachteile liegen.
Schlussendlich muss jeder für sich selbst und seinen Wagen entscheiden.
Ich bin jedoch der Meinung, dass langfristig nur eine echte Kennfeldoptimierung das Gelbe vom Ei ist.
Gruß Marcel